Nachhaltiger Tourismus
1. Tourismus – ein weltweiter Markt in Bewegung
1.1 Welchen Tourismus wollen wir eigentlich?
1.2 Schlüsselindikatoren oder: wie messen wir Erfolg?
2. Fallbeispiele zeigen Chancen
2.1 Hotels machen Gewinne durch Umweltschutz
2.2 Regionale Produkte: Arbeitsplätze und Verkehrsreduzierung
2.3 Naturschutz für integrierte regionale Entwicklung
2.4 Reiseveranstalter: Brücke zur Nachfrage
3. Mehr Nachhaltigkeit = mehr Qualität
1. Tourismus – ein weltweiter Markt in Bewegung
Die Welt ist in Bewegung wie noch nie: immer mehr (Urlaubs-)Reisen gehen mit immer schnelleren Verkehrsmitteln in immer fernere Regionen – bei kürzerem Aufenthalt vor Ort. Dies wurde auch dieses Jahr wieder auf der wichtigsten Reisemesse der Welt, der Internationalen Tourismusbörse ITB 97 in Berlin, bestätigt.
Weltweit registriert die World Tourism Organisation WTO derzeit mehr als 600 Millionen grenzüberschreitende
Urlaubs- und Geschäftsreisen mit jeweils mindestens einer Übernachtung. Dazu kommen noch schätzungsweise mehr als 2 Milliarden Reisen innerhalb der Landesgrenzen. Die Welt ist mehr denn je in Bewegung. Rund die Hälfte all dieser Reisen finden in Europa statt. Meist führen sie ans Mittelmeer oder in die Alpen.Alleine die Urlaubsreisen der Deutschen von mindestens fünf Tagen belaufen sich auf rund 60 Millionen jährlich. 30% davon werden in Deutschland selbst durchgeführt 30 % fahren oder fliegen ans Mittelmeer, knapp 15% in die Alpen, 15% ins übrige Europa und rund 10% ins fernere Ausland.
1.1 Welchen Tourismus wollen wir eigentlich?
Dabei schafft der Tourismus nicht nur Arbeitsplätze und Einkommen, fördert Kennenlernen und Verständnis, sondern trägt durch das enorme Verkehrsaufkommen und durch Ressourcenverbrauch, durch mangelnde Reisevorbereitung und Fehlverhalten vor Ort zu den hinlänglich bekannten Belastungen von Mensch, Natur und Kultur bei.Mit RIO 92 und der Agenda 21 hat sich die weltweite Staatengemeinschaft einen recht allgemeinen Rahmen für eine dauerhaft umweltgerechte, nachhaltige Entwicklung gesetzt. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in diesem Zusammenhang zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 25-30% bis 2005 (bezogen auf 1990) verpflichtet: ein Ziel, das mittlerweile in weite Ferne gerückt ist. Mit der Klimakonvention und der Berliner Erklärung „Biologische Vielfalt und nachhaltiger Tourismus“, verabschiedet von der Internationalen Umweltministerkonferenz am 08.03.97 in Berlin, sollen nun allgemeine Zielsetzungen konkreter und verbindlicher werden und damit auch dem weltweit wachsenden Wirtschaftszweig Tourismus eine Orientierung geben. Karl Tempel, Leiter des Referates „Tourismus, Freizeit, Sport und Erholungsvorsorge“ im Bundesumweltministerium verweist hier auch auf das 5. Umweltaktionsprogramm der EU (1992-1997) und die inzwischen vom Europarat beschlossene „Gesamteuropäische Strategie der biologischen Vielfalt“, die auch Empfehlungen für eine umweltgerechte Steuerung von Tourismus- und Freizeitaktivitäten enthält. Wohin die Reise in Zukunft gehen soll, hat der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in seinem Grußwort zum ECOTRANS FORUM „Nachhaltiger Tourismus-Schlüssel zum Erfolg“ auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB ´97) Berlin, 10. März ´97 formuliert:“Wir wünschen uns, daß der Urlaub der Zukunft durch die Wahl energiesparender Verkehrsmittel, abfallarmer Hotels sowie die Verwendung regionaler Erzeugnisse und die Entscheidung für kürzere Reisestrecken und längere Aufenthaltszeiten geprägt sein wird. In diesem Sinne erwarten wir, daß besonders auch die großen Reiseveranstalter die Nachhaltigkeit in ihren künftigen Angeboten verstärkt berücksichtigen.“Nachhaltiger Tourismus mit gleichrangigen ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielen ist natürlich mehr als nur Umwelt, Arbeitsplätze und unternehmerische Gewinne. Wohlstand und Wohlbefinden, kulturelle Vielfalt und sozialer Frieden sind bedeutende Ziele; aber vor allem steht die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen als „conditio sine qua non“. Ohne Wirtschaften und Handeln innerhalb der natürlichen Grenzen des Wachstums kann nicht von einer nachhaltigen Entwicklung gesprochen werden. Vor allem in der ständigen Orientierung an ökologischen Grenzwerten und Kennziffern liegt auf Dauer der Schlüssel zum Erfolg für einen
Tourismus mit Zukunft.
1.2 Schlüsselindikatoren oder: wie messen wir Erfolg?
„Hurra ! 1996 wieder 5% mehr Gäste, 3% mehr Umsatz !“. Doch wie lange sind sie geblieben, was haben sie tatsächlich gebracht und hinterlassen ? Im Rahmen des ECOTRANS FORUMS ITB ’97 wurden erstmals im europäischen Zusammenhang umweltbezogene Indikatoren in Verbindung mit praktischen Beispielen für „mehr Nachhaltigkeit im Tourismus“ in Deutschland, in den Alpen und am Mittelmeer vorgestellt und exemplarisch hochgerechnet. Die reinen Ausgabenzahlen oder die Anzahl der Gästeankünfte taugen schon lange nicht mehr als Maßstab für eine erfolgreiche Arbeit im Tourismus. Was heute und morgen zählt, sind Indikatoren, die eine optimale Nutzung vorhandener Ressourcen bei möglichst geringer Belastung der Umwelt widerspiegeln. Aussagekräftiger sind z.B.die Aufenthaltsdauer der Gäste, der Belegungsgrad der Betten die Ausgaben für regionale Produkte Sie zeigen die Wirksamkeit eines regionalwirtschaftlich orientierten Tourismuskonzeptes. Die entsprechenden Zahlen sollten in keinem örtlichen oder regionalen Tourismusbericht fehlen. Genausowenig die Umweltindikatoren, an denen der Erfolg der vielen Maßnahmen abgelesen werden kann, die von Betrieben, Kommunen oder Verbänden initiiert und umgesetzt werden:
- Trinkwasserverbrauch pro Gast und Übernachtung (im Hotel) bzw. Essen (im Restaurant)
- Stromverbrauch pro Gast
- Abfallmenge pro Gast
- Transportenergieverbrauch für die Anreise
- Anteil der Gäste mit Hauptanreise-Verkehrsmittel Bahn, Bus oder Rad
- Anteile der Fahrten im Urlaubsgebiet mit Bahn, Bus oder Rad
- Vorkommen bedrohter Tierarten, Bestand an ansprechender Kulturlandschaft und ökologisch wertvollen Biotopen, Wasserqualität
Als Schlüsselindikator für eine umweltverträglichere Tourismusentwicklung zählt der: Transportenergieverbrauch pro Aufenthaltstag. Für den Touristen oder den Reiseveranstalter heißt dies: Wenn schon eine weite Flugreise mit entsprechend hohem Energieverbrauch, dann für eine möglichst lange Urlaubsreise. Für den Urlaubsort bedeutet dies: wenn schon Gäste aus der weiten Ferne, dann mit möglichst vielen Übernachtungen.
2. Fallbeispiele zeigen Chancen
Daß selbst und gerade im sogenannten Massentourismus erfolgreiche Schritte hin zu mehr Nachhaltigkeit möglich sind, zeigen die nachfolgenden Beispiele, die die Experten von ECOTRANS aktuell recherchiert haben.
2.1 Hotels machen Gewinne durch Umweltschutz
Maßstäbe setzt hier Heidelberg mit seinem in den Stadtentwicklungsplan integrierten Tourismusleitbild. Ziel der Bemühungen: „nähere Gäste mit längerem Aufenthalt“, sicherlich ein schwieriges Unterfangen. Leichter sind sofortige Umweltentlastungen im Gastgewerbe. Bei 800.000 Übernachtungen/ Jahr (und über 3,5 Millionen Tagesbesuchern !) sollen nun allein in den Hotels 520.000 Aludöschen eingespart werden. Bruno Schmaus, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung, rechnet diesen „kleinen“ Beitrag hoch: 1560 l Abfall weniger und eine Einsparung von 40.500 kWh Energie. Insgesamt können so im Heidelberger Gastgewerbe 30% Energie oder 9 von 30 Millionen kWh/Jahr eingespart werden. Der Beitrag der vielbesuchten Stadt im internationalen Klimabündnis entspräche 5.400 t weniger CO2-Ausstoß. Und mit der Installation von Durchlaufbegrenzern in den Hotelzimmern sollen 45,6 Millionen Liter Wasser weniger verbraucht werden. Beim derzeitigen Wasserpreis von 3,59 DM/m3 Trinkwasser und 3,70 DM/m3 Abwasser heißt dies für die Betriebe 350.000,- DM weniger Kosten. Die Investition haben sich bereits nach vier Monaten amortisiert.
Und am Mittelmeer ? In Süditalien wären sofort ähnliche Einsparungen von Wasser und Energie möglich. Lorenzo Canova von der Assoziazione Cultura Turismo Ambiente, Mailand, rechnet bei einem mittleren Tagesverbrauch von 250 l/Gast und 35 Millionen Übernachtungen mit über 2 Millionen m3 weniger Wasserverbrauch in dieser heißen Region. Allerdings begünstigt der niedrige Trinkwasserpreis von nur 1,25 DM/qm – zuzüglich Abwassergebühren nur dort, wo es überhaupt Kläranlagen gibt ! – in keinster Weise den Sparwillen der Hoteliers, auch wenn sie derzeit bereits 2,6 Millionen DM weniger zahlen müßten und sich die
Investitionen immerhin nach rund einem Jahr amortisiert hätten.
Bei der Energie wäre in Süditalien bereits heute schon mehr zu erreichen: der Heizölbedarf der 3766 Hotels liegt im Schnitt bei 118 kWh/m2 Hotelfläche. 1/3 wird zur Warmwasseraufbereitung benötigt. Durch den Einsatz von Solaranlagen könnten 60 % davon übernommen werden. Die derzeitigen Gesamtkosten von knapp 50 Millionen DM könnten somit auf 20 Millionen/Jahr gesenkt werden, die Amortisierungszeit läge bei 7 Jahren. Die EU-Kommission will nun den Einsatz entsprechender Anlagen durch Erfolgsgarantien (Guarantee of Solar Results) fördern: wenn der Hotelier nachEinbau innerhalb von vier Jahren nicht die errechneten Energieeinsparungen erzielt hat, übernimmt die betreuende Firma den „Schaden“.
2.2 Regionale Produkte: Arbeitsplätze und Verkehrsreduzierung
In den stark frequentierten Alpen rechnet Tourismusdirektor Christoph Gruber fest mit den 32 Nebenerwerbslandwirten als Pfleger und Bewirtschafter der Kulturlandschaft in Weissensee/Kärnten. Denn in der attraktiven, von Menschenhand geprägten Landschaft sehen die 55.000 Übernachtungsgäste und ähnlich viele Tagesausflügler den Hauptgrund für ihren Besuch. Eine ausgeklügelte Flächenbewirtschaftungsprämie trägt zum Überleben der Landwirte bei: die Flächen werden umweltgerecht bewirtschaftet. „Wenn jemand düngt, wird seine Prämie auf die Flächen der anderen Bauern umgelegt.“ Mit der Rückwidmung von einem Drittel der ehemaligen Baulandfläche in Grünland 1990, dem schon 30 jährigen privaten Motorfahrverboot auf dem See, der Verhinderung einer Durchzugsstraße und dem Bau der Ringkanalisation 1973 hat die Bevölkerung schon frühzeitig wichtige Weichen für eine verträgliche Tourismusentwicklung gestellt. Für Karl Reiner, Berater bei der ÖAR Regionalentwicklung, Wien, besteht jetzt vor allem noch Handlungsbedarf in den Bereichen Verkehr und Energie, etwa durch Hackschnitzelverfeuerung. Vor allem die Nutzung regionaler Produkte kann hier, wie in allen ländlich geprägten Regionen, erheblich zur weiteren Sicherung von Arbeitsplätzen und der regionalen Wirtschaft beitragen, durchaus in Einklangmit und besonders zur Erhaltung der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaften. Dieter Popp von der FUTOUR Umwelt-, Tourismus- und Regionalberatung, München, hat über mehrere Jahre im Biosphärenreservat Rhön das Potential hochgerechnet und überprüft: Der derzeitige Durchschnitt beim Privatkonsum regionaler Lebensmittel liegt in Deutschland bei rund 2%, im Küchenwareneinsatz der Gastronomie bei 3%. Der Küchenwareneinsatz in der Rhön ist zwischen 1992 und 1996 bereits von 4% auf 10% gestiegen, die verstärkte Nachfrage nach handwerklichen Leistungen etwa für die Einrichtung von Gästezimmern hat 1995 einen Umsatz von rund 5 Millionen DM ausgelöst. Eine Anhebung heimischer Waren im Privatkonsum auf 20% ist durchaus möglich. Hier sind wir alle tagtäglich gefordert. Als Urlaubsgäste können wir ohne weiteres 8,-DM/Tag, als Tagesausflügler 0,20 DM/Tag für regionale Produkte wie Käse oder Honig, Obstbrände oder Kräutertee ausgeben. Solche Ausgaben können alleine in der Rhön an die 2000 Familienarbeitsplätze sichern, die angesichts der knappen staatlichen Haushaltsmittel ohnehin nicht mehr lange subventioniert werden dürften. Darüber hinaus könnten sogar 500 Arbeitsplätze neu geschaffen werden. In ganz Bayern könnten so mehrere Milliarden DM an Wertschöpfung erzielt werden.
Die erwünschten Synergieeffekte durch Verminderung und Vermeidung langer Transportwege oft quer durch Europa, aber auch durch die Stützung von gefährdeten Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft oder im Handwerk
sind enorm. Damit ist bei „nachhaltiger Tourismusentwicklung“ nie nur von Umwelt, sondern immer auch von Arbeit und sozialen Aspekten die Rede.
2.3 Naturschutz für integrierte regionale Entwicklung
Für Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe, Radolfzell, kann die stärkere Nutzung regionaler Produkte im Tourismus sehr gut mit Naturschutz einhergehen. So hat die Blumeninsel Mainau/Bodensee, mit 1,5 Millionen Besuchern pro Jahr touristisches Massenziel in Süddeutschland, seine gärtnerischen und landwirtschaftlichen Betriebe voll auf ökologischen Landbau umgestellt. Der Speiseplan der gastronomischen Betriebe bietet heute „Biomenüs“. Auf über 20 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche wurde durch die Nachfrage nach Bioprodukten der Pestizid- und Düngemitteleinsatz drastisch reduziert. Die Folge: der Artenreichtum und die Fläche der naturnahen Kulturlandschaft haben zugenommen. Naturschutz steht auch in Calviá/Mallorca erstaunlich hoch im Kurs. Mit 60.000 Betten und über 11 Millionen Übernachtungen/Jahr der Inbegriff von Massentourismus – und gleichzeitig die erste Gemeinde mit einer lokalen Agenda 21, d.h. mit einem verbindlichen, an einer nachhaltigen umweltgerechten Entwicklung orientierten Leitbild, erarbeitet in enger Zusammenarbeit mit Bürgergruppen, den Behörden und Betrieben. Was für den Alpenraum schon relativ normal ist, ist für den Mittelmeerraum bisher eine Einmaligkeit. Die Bürgermeisterin Margarita Nájera verweist nicht nur auf die spektakuläre Sprengung von 12 (ohnehin abgewirtschafteten) Hotels und ehemals touristisch genutzten Gebäuden. Sie hat auch bei der Landesregierung der Balearen die Ausweisung großer Flächen und mehrerer Inseln zum Naturschutzgebiet beantragt. Der bisherige Bauboom soll damit endgültig gestoppt werden. Qualität ist ihre Devise. Mit insgesamt fünf funktionierenden (!) Kläranlagen ist Calviá ebenfalls Vorbild für das Mittelmeer. Allerdings verweist die Naturschützerin Marion Hammerl-Cavanna vom Fondo Patrimonio Natural Europeo FPNE, Madrid, auf die nach wie vor schwierige Trinkwassersituation. Die Selbstversorgung auf Mallorca ist schon lange nicht mehr gesichert. Ein großer Teil des Trinkwassers wird mit Schiffen vom Festland herübergebracht. Bei einem vergleichsweise niedrigen Wasserpreis von 0,73 DM bis 3,81 DM/m3 fehlt auch hier ein wirklicher Anreiz zum Sparen: Die 259 Liter/Gast und Tag könnten erheblich reduziert werden. Wer nun eine Entwicklung Mallorcas zur „grünen“ Musterinsel erwartet, die ihre Tragekapazitäten nicht mehr überschreitet, dürfte allerdings enttäuscht sein: derzeit wird die Start- und Landekapazität des Flughafen mehr als verdoppelt – alles andere als ein Zeichen für eine Beschränkung der Gästezahlen.
2.4 Reiseveranstalter: Brücke zur Nachfrage
Bei der Beschränkung der besonders gravierenden Umweltbelastungen durch das ständig steigende und energieintensivere Verkehrsaufkommen im Tourismus sind auch die Reiseveranstalter gefragt. Studiosus Reisen München hat sich mit seinem Unternehmensleitbild nicht nur für möglichst hohe Umweltverträglichkeit und soziale Verantwortung verpflichtet, sondern ist auch der erste Reiseveranstalter, der vor kurzem in Zusammenarbeit mit FUTOUR ein umfassendes Umwelt-Audit erarbeitet hat. Die zentrale Leistung liegt für Michael Schablow von FUTOUR in der Integration und Umsetzung eines detaillierten Maßnahmenkataloges in sämtlichen Unternehmensbereichen. Dazu läuft u.a. bereits die exemplarische Erfassung von Transportenergiebilanzen. Einen konkreten Erfolg bei der Nutzung des Verkehrsmittels Bahn als Alternative um Flugzeug konnte Studiosus 1996 verbuchen. 18% der 92.000 Kunden wählten Italien als Reiseziel, davon entschied sich jeder Dritte für eine Städtereise nach Rom. Mario Kubsch, geschäftsführender Gesellschafter, freut sich natürlich, daß die Buchungen nach Rom innerhalb eines Jahres um 22% zugenommen haben. Aber er freut sich mit Recht besonders darüber, daß dieses Wachstum voll auf die Bahn gegangen ist. Gründe dafür liegen für den Autor in einer vorbildlichen Informationsarbeit – z.B. mit Energievergleich der Verkehrsmittel im Katalog – und im Preis: wer Rom bucht, kann ohne Aufpreis den bequemen „Bahnzubringer“ etwa von Hof zum Hauptbahnhof München nutzen. Damit ist der spezifische Transportenergieverbrauch pro Gast um mehr als 6 % gesunken. Der Gesamtverbrauch aller Romreisenden ist jedoch „nur“ um 14% gestiegen. Während immer mehr geflogen wird, kann hier eine leichte Entkoppelung von Tourismuswachstum und Flugreisen festgestellt werden.
Die TUI als Europas größter Reiseveranstalter tut sich da offensichtlich etwas schwerer. Dr. Wolf-Michael Iwand, Direktor für den Bereich Umwelt, kann bei mehr als 4 Millionen Kunden/Jahr zahlreiche kleine Erfolge nachweisen. Doch im Vergleich zum Gesamtvolumen sind etwa bei den Anreiseverkehrsmitteln, beim Wasser- und Energieverbrauch oder Abfallaufkommen in Relation zu den me hr als 50.000 Hotelbetten mit TUI-Beteiligung noch keine größeren Erfolge erzielt worden. Zwar hat die TUI als erster Großveranstalter Umwelt-Checklisten für seine Vertragshotels und Destinationen eingeführt. Aber die Ergebnisse haben offensichtlich keinen großen Einfluß auf die Einkaufspolitik. Wenn sich die Kunden mehr über die Umweltsituation in den Zielgebieten informieren wollen , finden sie allgemeinere Informationen und Hinweise zu umweltorientierten Hotels in den TUI-Katalogen. Ein Informationsangebot, das durchaus noch ausgeweitet werden könnte, wenn die TUI dem Anspruch der Orientierung des Kunden gerecht werden will. Mit der kleinen, aber feinen Umweltbroschüre zu Mallorca hat die TUI bewiesen, daß sie ihre Kunden gut informieren kann, ohne ihnen die Urlaubslaune zu verderben. Weitere Broschüren dieser Art sollten folgen. Durch die entsprechende Nachfrage können die Umweltpioniere im Städte-, Alpen- oder Mittelmeertourismus
überleben, Marktanteile gewinnen und so zu einer Ökologisierung dieses riesigen Wirtschaftszweiges beitragen. Wenn wir im Reisekatalog schwarz auf weiß den Energieverbrauch der verschiedenen Anreiseverkehrsmittel vor Augen haben, im Internet über Umweltauszeichnungen im Tourismus nachlesen, im Ortsprospekt Hotels mit einem Umweltgütesiegel entdecken, dann sind uns damit Kriterien zur Hand gegeben, uns für die Umwelt zu entscheiden.
3. Mehr Nachhaltigkeit = mehr Qualität
Durch verstärkte Kooperation in Gemeindenetzwerken und durch gemeinsames Marketing können Tourismusorte und -regionen die Synergieeffekte nutzen, die sie zum Überleben und zur Amortisation ihrer Umwelt-Investitionen dringend brauchen. Im „grenzenlosen“ Tourismus ist hier auch die europäische Politik mit ihren Förderprogrammen gefragt, vor allem wenn es um die Reduzierung von Belastungen durch den ständig steigenden Tourismus- und Warenverkehr geht.
Allerdings: Durch freiwillige Umweltleistungen der wachstumsorientierten Wirtschaft wird der tourismusbedingte CO2-Ausstoß wohl kaum zurückgehen. Neben den nicht ausreichenden „weichen“ Instrumenten wie Selbstverpflichtungen und Umwelt-Audits, Ökosiegel und Umweltpreise, Netzwerke und Seminare sind „harte“ Instrumente wie Trinkwasserpreise und Abfallgebühren, die Aufhebung der Steuerbefreiung für Flugbenzin oder eine CO2/Energie-Steuer zur Durchsetzung des Verursacherprinzips (polluter pays principle) unerläßlich. Je eher und klarer die Politik auf nationaler wie auf internationaler Ebene entsprechende gesetzliche und steuerliche Regelungen erläßt, je eher auf nationaler Ebene verbindliche Umweltpläne im Stile von „Sustainable Netherlands“ erarbeitet und als Entwicklungsrahmen vorgegeben werden, desto besser und sicherer können die Anbieter im Tourismus kalkulieren und investieren. Damit investieren sie auch in Qualität. Denn mehr Nachhaltigkeit im touristischen Angebot – also mehr regionale Produkte, weniger Lärm und Abgase, weniger Abfälle und ungeklärte Abwässer – bedeutet für die Bevölkerung mehr Arbeitsplätze und Lebensqualität und für den Gast eine vielfach neue Urlaubsqualität. Nachhaltigkeit und Qualität im Tourismus sind zwei Seiten einer Medaille.
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